INTO THE WILD: Tag 2 auf der republica 14!

 

Wir starten in den Tag mit einem Vortrag von Markus Schaffrin zur Verbesserung der Sicherheit von Blogs und Webseiten. Schaffrin arbeitet beim ‚eco‘, dem größten der diversen deutschen Internetwirtschaftsverbände. Er zeigt die bekannten Wege der Infizierung von Rechnern mit Viren auf, namentlich die Infizierung über gekaperte Webseiten, um dann das Hauptaugenmerk auf den neuen Ansatz des ‚eco‘ zu lenken, nämlich diese Infizierungsart von vornherein zu verhindern, indem Unternehmen Ihre Webseiten gegen auf solche feindlichen Attacken hin überprüfen.

Dazu hat der ‚eco‘ seine sogenannte ‚Initiative S‘ gestartet. ‚S‘ steht natürlich für Sicherheit. ‚eco‘ stellt im Rahmen dieser Initiative einen Webservice zur Verfügung, mit dem Unternehmen und Blogger ihre Website auf deren Integrität hin prüfen können, also, ob sie attackiert wurden bzw. bereits gekapert sind.

Hier liegt auch der Schwachpunkt der ‚Initiative S‘, denn Sie bietet keinen aktiven Schutz gegen solche Kaperungen, sondern ermöglicht den Unternehmen und Bloggern nur, in möglichst kurzen Zeitabständen ihre Websites auf Schadhaftigkeit zu überprüfen.

 

 

Der Ansatz ist der, durch diesen Service zumindest teilweise den Teufelskreis der Infizierung von Websites und Rechnern zu durchbrechen. Der Teufelskreis besteht darin, daß erst eine Website gekapert wird. Wenn dann ein User diese infizierte Website besucht, wird sein Rechner von dieser Website unbemerkt infiziert, gekapert und zum Bot umfunktioniert, über den dann Attacken auf Websites gestartet werden (, um den eigentlichen Urheber der Attacke zu verschleiern). Diese von Bots gekaperten Websites werden dann wieder von anderen Usern besucht, deren Rechner werden über diese Websites infiziert und so dreht sich die Attacke im Teufelskreis immer weiter und weiter, und wird immer mächtiger.

Offen bleibt bei dem Vortrag die Frage, wer überhaupt ein Interesse an solchen Attacken hat. Ob es Hacker mit krimineller Energie sein sollen, die Genugtuung aus der Kontrolle von fremden Eigentum ziehen, oder ob es sich um Mächte mit Interesse an Wirtschaftsspionage  handeln soll. Eine nette Beschreibung dieser Absicherung gibt Schaffrin, als er sagt, Blogger und Unternehmen sollten sich um ein Safer Internet bemühen wie sich Privatpersonen besser um Safer Sex bemühten. Wer Interesse an dem kostenlosen Check seiner Seite durch die ‚Initiative S‘ hat, hier der Link:

https://www.initiative-s.de/de/index.html

 

 

Auf der zweitgrößten Bühne treffen sich drei der erfolgreichsten deutschen You-Tube-Blogger mit einem Moderator der republica, um über ihre Arbeit zu sprechen. Der bekannteste von ihnen, Le Floid, hat die astronomische Reichweite von bis zu 1,8 Millionen Zuschauern pro Video. Während des Gesprächs drängt sich die Frage auf, ob Formate wie YouTube irgendwann klassische Medien wie die ARD und ZDF ablösen werden. Diese Frage stellt sich, weil dieses Medium von adoleszenten Usern inzwischen weitaus intensiver genutzt wird als klassische Fernsehkanäle wie Das Erste, RTL oder 3sat.

Und die Antwort ist: Nein. Jedenfalls erstmal nicht. Und nicht bei uns in Deutschland. Wie in einem anderen Vortrag deutlich wurde, wird YouTube z.B. inzwischen in der Ukraine von vielen Usern zur Information über Vorgänge in dem derzeitigen kriegerischen Konflikt genutzt, weil viele Vorgänge gar nicht von Fernsehteams der klassischen Medien erfasst werden, z.B. jedoch von Anwesenden, die Vorgänge auf der Straße aus der Wohnung heraus abfilmen.

Bei uns hier wird aber z.B. politische Berichterstattung immer noch sehr kompetent durch private und öffentlich-rechtliche Sender abgedeckt, und auch in einer Komplexität abgebildet, die kein YouTuber leisten kann. Die Stärke von You-Tube-Formaten liegt in der unkonventionellen Kommentierung von Themen durch einen Einzelnen und korreliert mit der Kreativität des Autors.  Unique ist am YouTube-Blogging außerdem die direkte Eins-zu-Eins-Kommunikation mit Zuschauern, teilweise über die Kommentierungsfunktion bei YouTube. Je unkonventioneller, kreativer, eigener die Kommentierung, desto erfolgreicher ist der Kanal, dies wird im Gespräch mit den You-Tube-Bloggern deutlich.

 

 

Inzwischen gibt es auch You-Tube-Kanäle, die von einem eigenen Redaktionsteam befeuert werden, diese bewegen sich aber finanziell sozusagen immer noch an der Prekariatsgrenze und es ist die Frage, ob sich solche Formate gegenüber der gewachsenen Seriösität und Professionalität der klassischen TV-Sender durchsetzen können. Ihre Chance liegt in der Unkonventionalität, die nicht etwa durch öffentlich-rechtliche Fernsehratsgremien gezügelt wird. Dies führt aber auch direkt zu der virulenten Notwendigkeit, daß auch You-Tube-Kanäle von You Tube selber gecheckt bzw. nach Rückmeldung von Usern gesperrt werden können müssen, wenn etwa rechtsextreme Wirrköpfe Ihre Thesen via You Tube an junge Zuschauer durchzustecken versuchen.

 

 

Damit sind wir dann wiederum schon beim Thema der ‚internet censorship‘ angekommen, ein weites Feld. Letztendlich muß eine solche Kontrolle an ethische und moralische Grundsätze geknüpft sein. Zum Schluß besuchen wir eine Session mit einem in der Netzgemeinde recht prominenten Wissenschaftler, Ron Deibert vom ‚Citizen Lab‘, einem Institut der Universität Toronto, das sich mit Fragen beschäftigt, die sich an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft ergeben.

Technologien wie Cloud Computing oder Mobile Data stellen die Frage, wem unsere Daten eigentlich gehören, denn sie transferieren diese Daten an Third-Party-Firmen. Auch Geo-Location-Technologien auf unseren Smartphones werfen diese Frage auf. „With that what people call the internet of things this question is gonna grow profund.“ Er betont, daß die Rolle der staatlichen Seite im Cyberspace immer mehr Gewicht gewinnt. „Cybersecurity is at the top of the agenda of most countries.“

Er geht darauf ein, daß sich momentan eine demographische Revolution im Internet entwickelt, nämlich der Shift des Schwerpunktes der Aktivitäten im Internet vom Westen in den Süden und fernen Osten. Ablesbar ist dies an Daten wie der Entwicklung von Userzahlen in einem Land wie Nigeria. In 2010 gab es dort 200.000 Internet-User. 2013 waren es 42 Millionen. Anmerkung von uns: Hier erscheint die Putinsche Vision der an die EU angrenzenden sog. ‚Eurasischen Zone‘ und den dort vorherrschenden repressiven Systemen in einem ganz neuen Licht.

Deibert geht auf den Arabischen Frühling ein, der bei uns im Westen als ein Aufbruch zu mehr Freiheit und Demokratie gedeutet wurde, und wie dieser Aufbruch nach der Entwicklung in Ägypten nun in Syrien ein blutiges Ende findet. „Syria has become the dark Arab Spring aftermath.“

Ein sehr inspirierender Tag findet seinen Abschluß und verliert sich im Berliner Nachtleben.