Mode in Hamburg

 

Für Mode- und Designinteressierte, die wie wir nicht zur auserlesenen Schar der akkreditierten Fashion-Week-Besucher in Berlin gehören, gibt es jedes Jahr in Hamburg im Februar ein interessantes Event: Den sog. ‚Rundgang Armgartstraße‘ der früheren FH für Gestaltung und jetzigen HAW Department Design.

Die Fakultät ‚DMI – Design, Mode und Information‘ ist eine von vier Fakultäten der HAW Hamburg, einer der größten Hochschulen ihrer Art in Deutschland, die mit dem Preis „Exzelllente Lehre“ von der Kultusministerkonferenz und dem Stifterverband 2009 ausgezeichnet wurde. Bei diesem Event werden Arbeiten von Studierenden des Department Design ausgestellt, begleitet von Symposien und Kolloquien, in deren Rahmen sich Vortragende mit gestaltungsrelevanten Themen auseinandersetzen.

 

Spannend, weil viele dieser Vorträge sich mit Schnittstellen zwischen Design, Mode und anderen Bereichen wie z.B. der Architektur oder den Kulturwissenschaften befassen. Vorgetragen, gezeigt, reflekiert und diskutiert werden aktuelle Themen der Gestaltung mit herausragenden nationalen und internationalen Experten aus den Bereichen Kunst, Design und Wissenschaft.

Design versteht sich hier als Player in einem transdisziplinären Reflexionsprozess: Wenn es um die Nachhaltigkeit geht, stellt sich die Frage, ob neue Materialien oder konstruktives Design mit Abfallsprodukten zukunftsweisend sind. Ein „Raum der Nachhaltigkeit“ und „Textile Konzepte“ im Ausstellungsbereich werden ergänzt durch einen Gastbeitrag von Nana Petzet aus der Gegenwartskunst. Petzet ist Künstlerin und setzt sich seit Jahrzehnten auf ebenso präzise wie ironische Weise mit Abfallverwertung in Deutschland oder auch an so entlegenen Orten wie Addis Abeba oder Ramallah auseinander.

 

 

Design soll sich einmischen und es trifft mit dem künstlerischen Gastbeitrag der Gruppe ‚Superflex‘, einer 1993 in Kopenhagen gegründeten Künstlergruppe, auf Praktiken an der Schnittstelle zwischen Intervention und Produktgestaltung. Seit der Digitalisierung unserer Lebenswelten sind wir nicht nur mehr Konsumenten, sondern auch Prosumenten: Wir erschaffen unsere Welt durch unser Handeln, wir produzieren und konsumieren sie gleichzeitig. Die Installationen und Performances aus dem Semesterprojekt „Ich und die Welt“ werden komplementiert durch den Vortrag der Theaterwissenschaftlerin Joy Kristin Kalu. Kalu forscht und lehrt an der FU Berlin. Neben ihrer wissenschaftlichen Forschung zur Ästhetik des angewandten Theaters hat sie u.a. am Thalia Theater in Hamburg, der Berliner Volksbühne, der ‚Actors Gang‘ in Los Angeles und bei der New Yorker ‚Wooster Group‘ gearbeitet.

Die Modenschau bringt Kleider in Bewegung und die Kulturwissenschaftlerin Kerstin Kraft beschreibt in ihrem Gastbeitrag, wie Mode in der Lage ist, Bewegungen zu gewähren und zu verlängern, zu verhindern oder einzuschränken. Kraft ist Professorin für Kulturwissenschaft des Textilen an der Universität Paderborn. Im „Raum der Nachhaltigkeit“ werden mit „Future Design Concepts“ nachhaltige Designstrategien in der Mode präsentiert, die einen positiven Einfluß auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen im textilen Kreislauf nehmen.

Zu unterstreichen ist, daß die unter Studenten einfach „Armgartstraße“ genannte Hochschule im Bereich Modedesign deutschlandweit zu den renommiertesten Hochschulen überhaupt gehört. Man verfolgt hier einen interdisziplinären Ansatz und hat den didaktischen Anspruch, das Thema Modedesign künstlerisch zu durchdringen. So setzt man das Thema Mode auch in einen historischen Kontext, wie z.B. die von Studenten im Rahmen des Projektes „Witwen“ angefertigten Trauerkleider aus dem norddeutschen Raum der letzten drei Jahrhunderte zeigen. Inhalt dieses Projektes war es, Studenten historische Schnitttechniken zu vermitteln. Ausgestellt werden auch individuelle Arbeiten aus dem Masterstudiengang Textildesign.

 

 

Ein weiterer Ausstellungsteil nennt sich „Skisportbekleidung – ein System höchster Anforderungen von der Faser bis zum Fertigteil“, der sich mit Gestaltung der aktuell immer beliebter werdender Funktionskleidung auseinandersetzt. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt das Projekt „Purple Rain“, in dessen Rahmen Indoor- und Outdoorzelte in der Textildruckwerkstatt angefertigt wurden. Erwähnt sei noch, daß die ‚Armgartstraße‘ zur Zeit ein Politikum ist, weil das Fortbestehen in den jetzigen Räumlichkeiten alles andere als klar scheint. Es steht eine Renovierung des charmanten Gründerzeitbaus an und deswegen wird der Hochschulbetrieb vorübergehend an einen anderen Standort verlagert. Studierende und Lehrende wissen allerdings nicht, ob man nach den Renovierungsarbeiten an die alte Wirkungsstätte zurückkehrt, und auch nicht, ob im Rahmen einer Verlagerung nicht sogar die Schließung einzelner Fachbereiche droht.

Summa summarum: Der Besuch der Veranstaltung lohnt sich. Sehr inspirierend. Für alle, die es dieses Jahr verpaßt haben, gilt nächstes Jahr für Anfang Februar: Vormerken und hingehen. Hoffentlich in die dann renovierte ‚Armgartstraße‘.