Grüße aus Berlin. Von der re:publica 2017.

 

Wie in den letzten Jahren waren wir auch dieses Jahr auf der re:publica in Berlin unterwegs, Europa’s größtem „Come together“ der internationalen Internet-/Digital-/Social-Media-Szene. Hier verhandeln nerdige und netzpolitisch affine Menschen relevante Themen rund um gesellschaftliche und technische Fragen des Internet.

Mit dem Internet haben rein technische Fragen eine gesellschaftliche Dimension bekommen. Das eine läßt sich vom anderen nicht trennen. Und hier in Berlin ist seit nun mittlerweile 11 Jahren der Ort in Europa, wo man über virulente Entwicklungen im Themenbereich Internet und Digitales einmal jährlich spricht.

 

 

Die diesjährige re:publica wies im Gegensatz zur letztjährigen überraschend viel Polit- und TV-Prominenz auf. Unter anderem zugegen waren Innenminister de Maiziere, Wirtschaftsministerin Zypries, Arbeitsministerin Nahles, sowie aus Mainz  die „heute journal“- bzw. „heute plus“-Anchorman/ -woman Claus Kleber und Eva-Maria Lemke. In der Zentralhalle befanden sich Info-Points von illustren Größen der internationalen Wirtschaft und Medienwelt wie Mercedes-Benz, Google, Deutschlandfunk oder ZDF.

Zum Inhalt der verhandelten Themen: Es gab viele Beiträge zur Macht der Plattformen und ihrer Algorithmen, zu Zeiterscheinungen wie dem Darknet und dessen Berechtigung oder der Frage des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Präsenz der Berliner Politprominenz zeigte klar, daß die re:publica als Forum netzpolitischer Fragen mittlerweile bekannt und etabliert ist, und man hierher kommt, um für seine Politik zu werben. Mit großer Verve geführte Diskussionen zu virulenten netzpolitischen Themen blieben jedoch zu unserem Verdruß, zumindest bei den von uns besuchten Panels, weitgehend aus.

 

 

So mündete bei dem Panel mit Innenminister De Maiziere die konfrontative Gesprächsführung nicht in eine angeregte Diskussion, sondern verharrte bei einem kurzen Vorstellen der eigenen Positionen. Diskussionsbedarf gäbe es angesichts der neuen gesetzlichen Regelungen sicherlich reichlich.

Die Gesprächschoreographie von auf 2 Minuten begrenzten Beiträgen, sicherlich aus der honorigen Absicht entstanden, minutenlangen Monologen der Teilnehmer, zumal der Politprofis, zuvorzukommen, verhinderte eine veritable Diskussion zwischen den Diskutanten Minister De Maiziere, Markus Beckedahl sowie Constanze Kurz. Die beiden Letztgenannten vertraten zwar fundamental andere Ansichten als De Maiziere, aber es kam nicht zu einem wirklichen Schlagabtausch. Hier hätte es vielleicht einer durchsetzungskräftigen Moderation bedurft, die eine wirkliche Diskussion erst ermöglicht, und keiner starren Zwei-Minuten-Regelung.

Dies ist mißlich, denn in dem Spannungsfeld von „Was lassen wir zu, was nicht“ entscheidet sich, ob unsere Gesellschaft im Stande sein wird, sich an die neuen Technologien so zu adaptieren, daß sich die Mehrheit dieser Gesellschaft damit einverstanden fühlt. Ob wir es schaffen, die Vorzüge des Netzes zu kultivieren, und gleichzeitig die negativen Auswüchse in den Griff zu bekommen. Eine Diskussion darüber ist mehr als nötig.

Themen der diesjährigen Veranstaltung waren außerdem Industrie 4.0 bzw. die Beschäftigung mit der Frage, wie deutsche Industrie und deutscher Mittelstand die Zeitenwende wuppen, ohne in näherer Zukunft von neuen Playern technologisch abgehängt zu sein.

 

 

Eine weitere Frage, die immer wieder in verschiedenen Panels „aufpoppte“, war die, ob es so etwas wie einer „Charta der Digitalen Grundrechte“ bedarf. De Maiziere’s Haltung war hier ganz klar: Nein, die derzeitige Gesetzeslage reicht vollkommen aus. Subjektiv war uns das dieses Jahr zu wenig Aufbegehren, und zu viel Ehrfurcht vor Politgranden wie Innenminister De Maiziere. Aber um fair zu bleiben bei aller Kritik: Vielleicht waren wir einfach auf den falschen Panels. Und es ist natürlich sehr einfach, hier naseweis das eine oder andere zu kritisieren – sehr viel schwerer ist es, ein solches Event überhaupt organisiert zu bekommen. Also: Bis nächstes Jahr, liebe re:publica! Vielleicht ja dann wieder mit etwas mehr Aufbegehren. Wir kommen gerne wieder !